Die Zeit der Veränderung
28.04.2019, Brunnen SZ
Habt ihr je den Eindruck gehabt, während Veränderungen in eurem Leben stattfanden, dass die Zeit plötzlich eine andere Qualität hat? Zum Beispiel, dass es Momente gibt, die ewig auf sich warten lassen… oder die einfach “perfekt” sind und in ihrer Perfektion wie magisch erstarrt wirken, wie wenn die Zeit stehen bleiben würde?
In Zeiten positiver Veränderungen fühlt man sich häufig lebendiger, neugieriger, man ist verleitet, den «Moment» als etwas Perfektes, Wertvolles, das im Hier und Jetzt stehen bleibt, oder das man «anhalten» möchte, wahrzunehmen.
In der Zeit schwieriger Veränderungen hingegen, scheint diese furchtbar langsam zu vergehen und sie scheint nie ein Ende zu nehmen… Man lebt immer noch im Moment, aber die Perzeption der unendlichen Dauerhaftigkeit dieses Zeitabschnitts lässt uns die Zeit als Hindernis wahrnehmen lassen.
Viele kennen die Redewendung «Carpe Diem»… «Pflücke den Moment», als positiver Gedanke, aus jedem Moment das Beste zu machen… aber ich glaube, eine der griechischen Definitionen der Zeit, «Kairos», kommt dem Veränderungsmoment eines jeden näher. Viele von uns kennen den Begriff «Chronos», aber wenige den Begriff «Kairos». «Chronos» bezieht sich auf die chronologische, auf die sequentielle Abfolge der Zeit. Der Begriff «Kairos» hingegen, hat eher den Beiklang «angemessener, richtiger und/oder höchster Moment». Die unterschiedliche Perzeption der Zeit sowohl im Falle von schwierigen, als auch bei positiven Veränderungen, hat meiner Meinung nach einen eigenen Grund zu existieren… «angemessen», «richtig» zu sein… in anderen Worten: «Kairos» zu sein.
Was verursacht während schwierigen Veränderungen in uns die Zeitwahrnehmung, dass der Moment nie zu enden scheint? Ich glaube, jeder von uns fühlt sich dann frustriert, mutlos und machtlos in solchen Situationen…In diesem Moment steckt aber die Kraft von der Zeit verstanden als «Kairos» … Es ist ein Moment, der gebraucht wird… der angemessen und richtig ist, weil er uns nachdenken lässt, weil er uns erkennen lässt, was man notwendigerweise verändern muss, was man tun oder anfagen sollte, um von einer schwierigen zu einer positiven Situation zu gelangen. Er kann uns zu einer neuen passenderen Lebensphase, zu einer positiven Entwicklung verhelfen. Er kann uns innere Klarheit schenken.
Machen wir ein Beispiel: eine Arbeitsstelle, einen Partner, oder einen Familienangehörigen zu verlieren… Am Anfang erscheinen uns solche Momente als unerträglich hart, vielleicht ausweglos… Aber wer von uns hat nicht gerade in solchen schwierigen Momenten mindestens einmal verborgene Seiten an sich, vergessene Leidenschaften, die Quintessenz von sich selber was man möchte, oder wichtige Thematiken des Lebens, die man zu lange umgangen hat, nicht für sich entdeckt?
Es hat diesen Moment gebraucht um zu verstehen, um sich zu entwickeln… auch, um vielleicht etwas anders zu machen, als zuvor.
Das gleiche Prinzip kann man auch bei positiven Veränderungen anwenden… Es ist nicht immer die Phase von kontinuierlicher Stabilität, die uns lebendig fühlen lässt, die uns mit unserer wahren Essenz in Einklang bringt… Häufig ist es eher der Moment der unendlichen Möglichkeiten, oder des Neuen. Den Job finden und ausüben, der uns erfüllt, eine neue Beziehung oder eine neue Form einer Partnerschaft einzugehen, das gibt uns Energie, das gibt uns eine Klarheit, welches Ziel es sich zu verfolgen lohnt… was für uns wichtig ist. Diese Klarheit ist verwandt mit der Klarheit in schwierigen Momenten. Wir möchten während solchen positiven Veränderungen, dass die Zeit am Liebsten stehen bleibt, denn wir möchten Energie tanken. Dieser Wunsch macht durchaus Sinn.
Kairos ist der Begriff des «höchsten» Moments, weil er uns die Fähigkeit schenkt, uns weiterzuentwickeln… Egal ob eine negative oder positive Veränderung dem zugrunde liegt.
Der Moment ist perfekt um zu sein, um das Leben wahrzunehmen und um sich und andere Menschen zu entdecken…
Diesen Moment zu begrüssen und ihn auszukosten (und hier kommen wir zurück zum Begriff «Carpe Diem»)… heisst die Veränderung anzunehmen, sie nicht zu bekämpfen. Das Leben ist voller Veränderungen. Schöne oder unschöne, sie geben uns häufig die Möglichkeit, Entschlüsse für unsere Zukunft, für unser «Selbst» zu treffen. Wir haben immer die Möglichkeit, wenn auch nicht immer im gleichen Ausmass (das hängt vom Kontext und von der Situation in der wir uns befinden ab), eine kleine oder grosse Entscheidung zu fällen, wie wir unser Leben leben möchten.
Kairos ist für mich eine Lebenskraft, eine Ressource…
Wie denkt ihr darüber? Ist der Veränderungsmoment eine Ressource für euch?
Danke für eure Anregungen und Bemerkungen.
Eure Corina
Zurück zur Übersicht