Ist die Resilienz ein zweischneidiges Schwert?
02.12.2018, Brunnen SZ
Heute möchte ich über etwas nachdenken und Euch fragen, ob Resilienz wirklich eine reine positive Sache ist.
Diese Frage ist auf den ersten Blick sicherlich für viele Menschen ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Gut…Versucht Euch eine Person vorzustellen, die in Euren Augen sehr resilient ist… (egal wer, vielleicht auch Euch selber). Haltet dieses Bild im Hinterkopf…und erlaubt mir Euch eine Geschichte zu erzählen, die mit den obigen Bildern zu tun hat.
Ich, als Privatperson, besitze keine grosse angeborenen Resilienz. Im Kindesalter aber, habe ich mir unbewusst verschiedene Resilienz-Mechanismen angeeignet. Viele Menschen nehmen mich auf den ersten Blick als stark, sogar als «zu stark» war. Meine Resilienz-Qualitäten haben mir Erfolge geschenkt und mein «Überleben» gesichert. Diese Woche, wie jeder von uns im Verlauf seines Lebens, wurde ich mal wieder von einer unerwarteten Veränderung überrascht. Meine üblichen, vertrauten Resilienz-Mechanismen haben sich wieder aktiviert. In meinem spezifischen Fall, Akzeptanz der Lage, Lösungsfokussiertheit (Lösungssuche), Kampfgeist, Vertrauen, dass man sein eigenes Schicksal beeinflussen kann, und die Suche nach Sicherheit und Kraft in Menschen, denen ich vertraue, und die ich schätze, weil mir ähnlich. Tönt alles positiv bis hier, nicht wahr?
Und es ist so, absolut! All das hat mich gut überleben lassen… für mehr als 40 Jahre!
Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Viele Menschen, die sehr resilient sind, haben ein Problem, dass durch diese Resilienz-Mechanismen gegeben ist. Sie haben die Fähigkeit verloren, nicht nur ihre starken Seiten (Lichtseiten), sondern auch Ihre Verletzlichkeit, ihre dunklen Seiten (Angst, Unsicherheit, Urbedürfnisse) zu akzeptieren und zu zeigen. Viele dieser Menschen, mich eingeschlossen in manchen Situationen oder Momenten, verstecken gegenüber den Mitmenschen und sich selber ihre dunklen Seiten. Sie tragen eine «Maske».
Sie machen das, weil sie diese dunklen Seiten als Schwäche wahrnehmen, und sich dafür schämen, oder weil sie vielleicht denken, sie könnten Ansehen verlieren oder nicht mehr wertvoll in den Augen ihrer Mitmenschen sein. Darf ich Euch was verraten? Es ist eine Selbstlüge. Wenn man sich nicht vollständig annimmt (Licht und Schatten), riskiert man Isolation, Einsamkeit, und den menschlichen Kontakt zu verlieren zu anderen und zu sich selber.
Häufig geht es nicht nur darum neue Resilienz-Mechanismen zu erwerben oder zu trainieren, sondern sie weise zu benutzen, in dem man sich selber akzeptiert und sich so auch wahrhaftig den Mitmenschen zeigt (Licht und Schatten). Der Mensch ist perfekt in seiner Unvollkommenheit, und er kann nicht alleine glücklich überleben, sondern braucht den Kontakt zu anderen. Unsere Gesellschaft, speziell auf der Arbeit, macht es uns nicht leicht diese Verletzlichkeit zu zeigen. Sie ist immer noch ein Tabu, sie wird immer noch als Schwäche wahrgenommen…Warum fühlen sich viele Leader einsam und missverstanden?
Ich selber bin hochgradig unvollkommen als Mensch, und ich kämpfe jeden Tag aufs Neue, um meine Schattenseiten zu akzeptieren und zu zeigen. Manchmal gelingt es mir, manchmal nicht, oder nicht gut genug, aber ich gebe nicht auf es zu versuchen. Das Foto mit den Symbolen, spiegelt mein “Nicht-Aufgeben” mich zu akzeptieren und mich zu zeigen. Die Hände symbolisieren die “Oberfläche” des Menschen, den man sieht… stark, resilient, attraktiv für Mitmenschen. Die Füsse, die verborgene Seiten, “schmutzig”, nicht lohnenswert, alias die schwachen Seiten, die versteckten Bedürfnisse…Die Füsse geben aber auch Halt und Kontakt zum Boden, zur Realität, zur Umwelt. Erst zusammen bilden Hände und Füsse ein komplettes, sich ergänzendes, und friedvolles Bild, das man gerne anschaut. Das Meer und die Felsen…In der Vergangenheit habe ich mich als Felsen betrachtet. Ein Felsen, der stark sein muss, um den peitschenden Wogen des Meeres standzuhalten. Heute sehe ich mich inzwischen als Welle. Eine Welle ist frei, manchmal ist sie ruhig, manchmal aufgewühlt, manchmal glitzert sie in der Sonne, manchmal scheint sie dunkel während eines Gewitters. Eine Welle kann sich “ausruhen” auf einen Felsen, oder sich entscheiden abenteuerlustig ins offene Meer zu bewegen. Diese Erkenntnis bringt mich zum Bild der Hände… zum Bild der Begegnung. Echte Begegnungen, sind nie idealisiert, sie sind echt (die Hände im Bild sind nicht besonders schön, aber sie berühren uns, weil sie unvollkommen sind). Unverfälschte Begegnungen, mit anderen Menschen, die genauso Licht und Schatten in sich tragen. Dank diesen echten Begegnungen kommt man zum Segelboot… zum Wind, der Dich trägt wohin Du möchtest, zur Freiheit, zur Leichtigkeit, zu neuen Ufern. Und all das erlebt man mit einem Mix aus Neugier, Keckheit und Angst vom Ungewissen. Dank diesen Gefühlen kann man neue Welten entdecken.
Resilienz ist ein zweischneidiges Schwert, weil es uns überleben lässt und Erfolge schenkt; aber es kann uns hindern die schönste und glücklichste Version unser selbst zu sein. Die Version, die sich ihrer Grau-Tonalität bewusst ist, die uns erlaubt frei zu sein wie man ist, und in echten Verbindung mit unserem Nächsten zu treten.
Denkt mal drüber nach… denkt an das Bild im Hinterkopf …wenn ihr eine sehr resiliente Person kennt oder seid, die sich “versteckt”… gebt ihr Zeit, gebt Ihr Empathie, zeigt ihr Euer Licht und Schatten, damit sie versteht, dass die Schattenseite (Angst, Unsicherheit, Urbedürfnisse) zu zeigen, keine Schwäche ist, sondern der mutige und starke Weg, mit dem wir in tiefer Verbindung mit uns und den Mitmenschen treten. Glück bedeutet echte Verbindung zu sich und zu Mitmenschen…und es ist nicht weit entfernt… es ist um die Ecke…
Wie immer, würde ich mich geehrt fühlen Eure Kommentare oder Gedanken zu lesen…
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