Resilienz und Kultur: die Demut und der Mut in uns

Cin­fo Forum 16.11.2018, Bern
 
Kür­zlich habe ich eine inter­es­sante Ver­anstal­tung besucht, die an Per­so­n­en gerichtet war, die für human­itäre Organ­i­sa­tio­nen arbeit­en möcht­en.
Wisst Ihr, was mich am meis­tens beein­druckt hat?
 
Sich mit Erfolg an Verän­derun­gen anzu­passen, heisst für mich nicht immer automa­tisch resilient zu sein…
 
Tönt merk­würdig, richtig? Aber es ergibt dur­chaus später einen Sinn.
 
Ich habe an zwei Debat­ten-Diskus­sio­nen teilgenom­men. Eine Debat­te beschäftigte sich mit der The­matik des Macht­miss­brauchs seit­ens Mit­glieder von Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen, und wie man diesen Miss­brauch ver­hin­dern oder aus­merzeln kann. Die andere Diskus­sion han­delte über das Man­age­ment in einem unsicheren Umfeld, wie es bei Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen nor­maler­weise der Fall ist.
 
Die Quin­tes­senz der ersten Debat­te war, dass kein Men­sch Macht­miss­brauch im Voraus “ver­hin­dern” kann. Die Debat­tieren­den hiel­ten für wichtig den “Code of Con­duct” allen Angestell­ten in Form von schriftlich fest­ge­hal­te­nen “Cor­po­rate” Regeln zu ver­mit­teln, und alle waren sich eben­falls einig, dass eine akku­rate Selek­tion bei der Ein­stel­lung von Mitar­beit­ern essen­tiell ist. Trotz schriftlich­er Nor­men und ein­er gut durch­dacht­en Selek­tion der Angestell­ten, haben die Mitar­beit­er mit der Zeit, in manch einen Fall, sich verän­dert und wer­den sich auch in Zukun­ft verän­dern… Einige von Ihnen wer­den in Extrem­si­t­u­a­tio­nen oder in einem Ihnen sehr frem­den Land wom­öglich ihren ethis­chen Kom­pass ver­lieren.
 
Aber wieso kön­nen einige Per­so­n­en nicht wertemäs­sig sich treubleiben? Und wieso miss­brauchen sie Ihre Macht?
 
Eine mögliche Hypothese während der Diskus­sion war die Tat­sache, dass Regeln und Nor­men ein Teil der Kul­tur sind, die diesen Men­schen in ihrer Heimat ver­traut war. Dieser Teil der Kul­tur in sein­er ursprünglichen Form, hört aber auf zu existieren in Kriegs­ge­bi­eten oder unter schwieri­gen Bedin­gun­gen. Es gel­ten plöt­zlich ganz andere Regeln und Nor­men. Men­schen entschei­den sich, um zu über­leben, weil sie vielle­icht ihr human­itäres Ziel aus den Augen ver­loren haben, oder aus pri­vat­en Grün­den, dann Macht­miss­brauch zu bege­hen, in dem sie falsche Entschei­dun­gen tre­f­fen. Wie kann man das ver­hin­dern? Die Debat­te ging weit­er mit der Hypothese, dass ein kon­stantes “Vor­leben” von Werten in einem Team, in ein­er Organ­i­sa­tion, das tägliche offene Miteinan­derre­den über Dilem­ma, Miss­bräuche, oder über kul­turelles Ver­ständ­nis untere­inan­der vor Ort, helfen kön­nten die Resilienz der Mit­glieder der Hil­f­sor­gan­i­sa­tion zu fördern. Schwierige Sit­u­a­tio­nen zu über­leben, ohne sich sel­ber, seine eige­nen Werte und die Kul­tur der Organ­i­sa­tion zu ver­lieren. In anderen Worten, das Erschaf­fen ein­er Tran­skul­tur, die täglich gelebt wird oder wie sie auch von den Red­nern definiert wor­den ist, als eine “behav­ioral evo­lu­tion” zwis­chen kul­turell unter­schiedlichen Men­schen, die auf ein gle­ich­es Ziel hinar­beit­en, und, die die gle­ichen Werte mit ihrer Organ­i­sa­tion teilen. Resilienz ist sicher­lich ver­linkt mit der Kul­tur des Einzel­nen und des Teams… aber es gibt ein ABER… Um offen über alles reden zu kön­nen, müssen Men­schen in ihrer Rede­frei­heit geschützt wer­den. Dies ist lei­der in Krisen­ge­bi­eten nicht immer voll­ständig gewährleis­tet. Und hier kommt die Qual­ität der Eigen­re­silienz ins Spiel, ihre unter­schiedlichen Mech­a­nis­men, und die tief­sten eige­nen Werte.
 
In der zweit­en Debat­te wurde disku­tiert, wie man sich mit den Unsicher­heit­en in solchen Kon­tex­ten arrang­ieren kann, und dabei wur­den diese starken Eigen­werte, diese Resilienz- Mech­a­nis­men des Einzel­nen zitiert.
Demut, Flex­i­bil­ität, Agilität, nichts als selb­stver­ständlich nehmen, das sind die ersten Zutat­en, um in Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen zu über­leben. Mut, Durch­hal­tev­er­mö­gen beim Lösun­gen sehen und find­en, Psy­chohy­giene zu betreiben, ver­trauen, dass jed­er (auch die Per­so­n­en, denen man helfen möchte) zumin­d­est teil­weise in der Lage ist, sein eigenes Schick­sal zu gestal­ten, und die Moti­va­tion nicht zu ver­lieren, wieso man diesen Job angenom­men hat, sind weit­ere Kom­po­nen­ten, die einem auf Langzeit helfen, mit sich sel­ber kon­gru­ent und gesund zu bleiben. Dies gilt wahrschein­lich für uns alle, egal in welchen Kon­text wir arbeit­en oder wie wir pri­vat leben. Nur, ist es über­haupt nicht ein­fach sich daran täglich zu erin­nern und es vorzuleben.
 
Es gibt eine Anek­dote von Her­rn Pierre Krähen­bühl, UNRWA Com­mis­sion­er-Gen­er­al, die das ganze Pub­likum im Saal berührt hat. Ihm wurde das jährliche Bud­get gekürzt, und er musste Entschei­dun­gen fällen. Er befand sich in Nahost und bemerk­te, dass in ein­er Klinik, trotz der Krisen­lage, alle chirur­gis­chen Uten­silien nach wie vor vorhan­den waren. Er erkundigte sich wie das möglich sei. Es war dem muti­gen und beherzten Ein­satz zwei erfahren­er Mitar­beit­er zu ver­danken, die jeden Abend unter Lebens­ge­fahr die Aus­rüs­tung zum Schutz vor Plün­derung zu sich nach Hause bracht­en, und am näch­sten Tag wieder in die Klinik. In diesem Augen­blick fragte er sich: wie kann ich ihnen mit­teilen, dass wir nicht mehr genü­gend finanzielle Ressourcen haben? Das kann ich nicht, ich kann nicht den Mut dieser und viel­er weit­er­er Men­schen ignori­eren. Er fand schliesslich Lösun­gen. Spon­soren halfen aus. Durch­hal­tev­er­mö­gen in der Lösungs­find­ung, Mut, Demut, Flex­i­bil­ität, Lead­er­ship… hier sind die bere­its zuvor erwäh­n­ten Zutat­en.
 
Die Schluss­worte der Diskus­sion zwis­chen den Red­nern waren unge­fähr die Fol­gen­den: “Nev­er judge. How would we become in a con­flict sit­u­a­tion? Nobody can be sure, how he/she would react, there­fore stay “neu­tral” (non- judg­men­tal)”. Es ist Demut und Psy­chohy­giene zugle­ich, und lehrt uns, dass es uns obliegt, uns für die richtige Selb­sten­twick­lung zu entschei­den. Diese «richtige» Selb­sten­twick­lung zu vol­lziehen ist nicht ein­fach, und deswe­gen ist es nicht kor­rekt andere Per­so­n­en zu beurteilen, wenn es Ihnen nicht gelingt.
 
Was man tun kann? “Man kann der Wan­del sein, den man selb­st in der Welt zu sehen wün­scht” (Gand­hi).
 
Resilienz sind für mich nicht nur die Fähigkeit­en oder der Prozess sich bei Verän­derun­gen weit­erzuen­twick­eln, aber es zu tun und dabei kon­gru­ent bleiben, und sich zudem Demut, die eige­nen Werte und den Mut zu bewahren.
 
Ich wäre neugierig zu lesen, welch­er Aspekt des Resilienz-Konzeptes mit Euch Res­o­nanz hat… Schreibt mir, wenn ihr mögt, ein Wort… das Wort, was am meis­ten mit Euch und dem The­ma Resilienz zu tun hat… bin ges­pan­nt… her­zlichen Dank!

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