Wachstumszutaten: Verletzlichkeit, Freiheit und Mut

19.06.2019, Brun­nen SZ

 

«Danke an meinen Vater für seine Offen­heit des Herzens und für die Unter­stützung zu diesem Beitrag.… (ich hätte ihn nie öffentlich gemacht ohne Deine und die Ein­willi­gung von Sabine). Das Leben war wie es war und ist, wie es ist… aber ich bin wer ich bin, Dank Eur­er Liebe und Eur­er Resilienz. Habe Dich lieb.»


Ich war im Urlaub auf Amrum, eine Nord­see-Insel. Das Gefühl von Frei­heit, von gren­zen­los­er Weite, die dieser Ort einem schenkt, ist unbeschreib­lich. Schon während meines Urlaubs, habe ich einige Gedanken zu Papi­er gebracht, aber erst jet­zt, beim Durch­le­sen und Ergänzen dieser Gedanken, erscheint es mir richtig, diese mit Euch zu teilen. Ich teile sie, weil ich hoffe, dass andere Per­so­n­en davon prof­i­tieren kön­nen und auch, weil sie ein Teil mein­er per­sön­lichen und pro­fes­sionellen Lauf­bahn sind. Ich wäre nicht wer ich bin, als Men­sch und als Coach, ohne meine Ver­gan­gen­heit, ohne mein Herz und ohne den Willen zu wach­sen.


Man sagt mir nach, ich sei sehr empathisch, aber es ist mir immer sehr schw­er gefall­en im pri­vat­en Kon­text Men­schen an meinen inner­sten emo­tionalen Kern ranzu­lassen. Und auch heute noch ist es so: auch wenn ich starke Verbesserun­gen an mir sel­ber wahrnehme, die noch vor 5 Jahren nicht denkbar gewe­sen wären. Das ver­danke ich mein­er pro­fes­sionellen Lauf­bahn und wun­der­baren Fre­un­den.


Es gibt Men­schen, die in jun­gen Jahren heftige Erfahrun­gen gemacht haben… mit Bindung­sprob­le­men. Auch ich zäh­le zu diesen Men­schen. Meine Eltern liebten mich, aber sie hat­ten Schwierigkeit­en mich mit Wärme und ohne Manip­u­la­tio­nen grosszuziehen. Sie hat­ten Prob­leme in ihre Ehe. Hinzu kam die Sucht meines Vaters und die frühkindlichen Trau­matas mein­er Mut­ter. Dieses waren die Gründe für die Schwierigkeit­en. Sie benutzen mich als Waffe, um sich gegen­seit­ig zu ver­let­zen. Meine Mut­ter wollte unbe­wusst meinem Vater meine Liebe entziehen, um ihn zu bestrafen und er liess mich im Gegen­zug aus Frus­tra­tion «nicht wertvoll genug» fühlen, indem er nicht meine Leis­tun­gen in der Schule und ausser­halb wertschätzte (und ich als Kind in der Mitte, das nie­man­den ver­let­zten wollte). Ich habe vor ein paar Wochen erfahren, dass meine Mut­ter, nicht nur ein schwieriges Ver­hält­nis zu ihrem Vater hat­te (der dazu noch sehr jung ver­starb), son­dern dass sie auch ihre ersten 3 Leben­s­jahre unter prekären Bedin­gun­gen in einem Internierungslager ver­brachte (1945–1947). Das, um zu zeigen, dass das Leben ist, wie es ist… es gibt keinen Grund/ Schuld für schwierige oder unschöne Ereignisse, wed­er bei ihr, noch bei meinem Vater, noch bei mir… man über­lebt, wird resilient. Aber wie ich schon ein­mal in einem Blog Beitrag geschrieben habe, kann die Resilienz ein zweis­chnei­di­ges Schw­ert sein… Man gibt seine Fähigkeit zur Vul­ner­a­bil­ität auf… man gibt die Verbindung zu sich und anderen dadurch wom­öglich auf.


Im All­t­ag ver­gisst man oft, über wie viel Frei­heit wir ver­fü­gen: wie viele unser­er Entschei­dun­gen uns «neue Ent­deck­un­gen», «neue Orte», «neue Ein­drücke» schenken kön­nen… aber dafür braucht es Vul­ner­a­bil­ität und Mut, denn unsere Frei­heit ist ver­woben mit der Frei­heit der anderen (egal um welch­es The­ma es geht: Fam­i­lie, Beruf, Gesund­heit usw.). Frei­heit hat Ein­fluss auf ein Sys­tem… keine unser­er Entschei­dun­gen über unsere Frei­heit bleibt ohne Wirkung für die Men­schen um uns herum. Und das kann Angst und Rei­bungs­flächen bei uns und/oder bei den Men­schen, die uns nah­este­hen aus­lösen.


Habt Ihr Euch schon mal so frei gefühlt, dass Ihr davor Angst hat­tet? Oder im Gegen­zug so wenig frei, dass es Euch eng ums Herz wurde?


Was ist das richtige Mass an eigen­er Frei­heit und wie kön­nen wir fair­erweise die Möglichkeit­en nutzen, die uns diese Frei­heit schenkt? Anders gesagt: sie zu nutzen, ohne die Frei­heit der anderen zu lim­i­tieren, oder zumin­d­est, wenn wir lim­i­tieren möcht­en oder müssen, um unsere Frei­heit zu gewährleis­ten, es zumin­d­est so zu tun, dass es ver­ant­wor­tungsvoll und acht­sam gegenüber unserem Näch­sten ist?


Eines Tages war ich spazieren an der Küste von Nord­dorf, und sah zwis­chen den Dünen einen kleinen Leucht­turm. Ich habe nach einem Weg gesucht, um dahin zu gelan­gen: zwis­chen weis­sem Sand und den glei­t­en­den Möwen in der salzi­gen Meeres­luft. Ich habe meinen Weg gefun­den und die Aus­sicht hat mir den Atem ger­aubt… In dem Moment hat die fol­gende Redewen­dung zu meinen Empfind­un­gen bei dem Anblick dieser Weite gepasst:


“Frag dich nicht was richtig ist, son­dern frag dich, was du fühlst. Hör auf dich zu fra­gen, ob du kannst, son­dern frage dich, ob du willst» (unbekan­nter Autor)


Ich denke Self-Aware­ness und Ehrlichkeit sich selb­st gegenüber sind wichtig, um zu ver­ste­hen, in einem ersten guten Schritt, wie viel und welche Art von Frei­heit man in seinem Leben benötigt. Diese Redewen­dung spiegelt wieder, wie wichtig es ist, sich nicht selb­st auszutrick­sen.


Der zweite Schritt ist zu ver­ste­hen, welchem eige­nen «Leucht­turm» man fol­gen möchte. Was sind die eige­nen wahren Werte oder The­men die einem wichtig sind, auf die man nicht verzicht­en kann und die uns leit­en in der Weite der Entschei­dungsmöglichkeit­en in unserem Leben.


Mein Leucht­turm ist Ehrlichkeit, Respekt, alle For­men von par­itär­er Zuneigung/ Liebe und die Möglichkeit, meine eige­nen Entschei­dun­gen zu tre­f­fen.


Mit Ehrlichkeit und Respekt meine ich sowohl mir sel­ber gegenüber, als auch den anderen gegenüber, in den Momenten wo es darauf ankommt. Denn nur so kann ich gle­ichzeit­ig den anderen einen fairen, acht­samen Frei­heit­sraum garantieren und zugle­ich mein Recht auf frei sein beanspruchen. Ehrlichkeit heisst nicht immer mit Sicher­heit zu wissen…Es kann auch ein­fach bedeuten « ich weiss nicht, was ich will oder entschei­den werde» und ein­fach den Moment so zu akzep­tieren, wie er ger­ade ist.


Ich kämpfe jeden Tag um ehrlich­er zu sein und um meine Gren­zen mit Mut zu ver­ste­hen und auszureizen. Manch­mal gelingt es mir gut, manch­mal weniger, aber ich lerne immer mehr über die Men­schen um mich herum, über mich sel­ber, über meine eigene und die Vul­ner­a­bil­ität der anderen. Ich fange an zu ler­nen, dass die Gren­zen zwis­chen Men­schen, wie die Gezeit­en oder die Dünen sind… sie sind nicht sta­tisch… sie sind mit der Zeit in Bewe­gung. Dynamis­che Gren­zen sind es wert erforscht zu wer­den, um daran gemein­sam zu wach­sen… trotz Aeng­sten und Rei­bungs­flächen.




Danke schon jet­zt für Eure wertvollen Gedanken…

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