Was ist Intui­ti­on und wann kann sie bei Ver­än­de­run­gen nütz­lich sein?

Eine Reflek­ti­on anhand per­sön­li­chen Mei­nun­gen aus ver­schie­de­nen Berufssektoren.


Heu­te ist der 21. März, Früh­lings- Äquinoktium.


Was asso­zi­iert ihr mit den obi­gen Worten?


Ich ver­bin­de mit dem Begriff Früh­ling eine Ver­än­de­rungs­zeit. Die Natur erwacht, alles färbt sich und duf­tet, man hört wie­der die Vög­lein sin­gen und auch die Aro­men wer­den inten­si­ver (Bär­lauch, Spar­gel, Erd­bee­ren). Unse­re 5 Sin­ne wer­den von Mut­ter Natur gera­de­zu ange­spornt wahr­zu­neh­men, was da ist, um es «sich zu gön­nen». Wir neh­men unse­re leben­di­gen Kör­per inten­si­ver wahr und so auch unse­re natür­li­che Umge­bung. Mit ande­ren Wor­ten, die­se Zeit ist die Quint­essenz von CAR­PE DIEM


Aber die­ses archai­sche Datum und der Früh­ling sel­ber, erin­nern mich auch an etwas ande­res, an etwas, das über die Jahr­hun­der­te als Qua­li­tät und Kom­pe­tenz­feld eher dem Weib­li­chen, den Frau­en zuge­spro­chen wur­de. Intui­ti­on gene­rell, aber auch und vor allem wäh­rend Veränderungszeiten.


Was ist die Intui­ti­on? Wie wird sie uns bewusst/ wie bemer­ken wir sie an uns? Was bringt sie uns wäh­rend Veränderungszeiten?


Intui­ti­on ist sicher nicht ratio­nal… oder sagen wir mal, nicht als klas­sisch ratio­na­le Sache zu betrach­ten. Ergo nicht Ratio wie Sokra­tes Ratio defi­nier­te. Aber Intui­ti­on hat sehr wohl ihre «Ratio» im Sin­ne von «Grund» zu existieren…Sogar Sokra­tes hat im Sym­po­si­um von Pla­to zuge­ben müs­sen, dass die Frau­en gut waren in allem was die Lie­be und die dar­aus manch­mal resul­tie­ren­de Intui­ti­on betraf (sie­he Müt­ter und das Erken­nen der Schreie Ihres Kin­des). Er nann­te es Tà Ero­ti­kà. Von Sokra­tes ist auch der Satz: «ich weiss, dass ich nicht weiss». Diot­ima, Prie­ste­rin von Man­ti­nea, hat­te ihn gelehrt, dass es wich­tig war, nicht nur sei­ne Ratio zu erkun­den und zu pfle­gen, son­dern auch in Kon­takt zu ste­hen mit sei­ner emo­tio­nel­len, unver­ständ­li­chen Sei­te. Nur so war ein erfüll­tes Leben möglich.


Vie­le wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en haben im Ver­lauf der Zeit ver­sucht zu zei­gen, dass Intui­ti­on eine wich­ti­ge Rol­le in ver­schie­de­nen Arbeits­wel­ten spielt. Von den Ban­ken bis zu den Spi­tä­lern. Wer sich dafür inter­es­siert, sei auf die Refe­ren­zen am Ende des Arti­kels ver­wie­sen (Dane, Pratt, Baer, & Old­ham, 2011;Epstein, 2010; Wright, 2013; Hens­man and Sad­ler-Smith 2011).


Ich sel­ber erach­te die Qua­li­tät, oder die Gabe der Intui­ti­on nicht als ein aus­schliess­lich weib­li­ches Phä­no­men. Viel­leicht resul­tiert sie leich­ter akzep­tiert zu wer­den (nicht zu erfah­ren!) von mehr Frau­en, als Män­nern, aber sie ist in mei­nen Augen abso­lut in bei­den Geschlech­ter vor­han­den. Ich stel­le die Hypo­the­se auf, dass die west­li­che Kul­tur und unse­re Gesell­schaft, die Bezie­hung der Män­ner zu die­ser Gabe/Qualität kon­di­tio­niert haben, indem sie für sehr lan­ge Zeit den intui­ti­ven Ansatz als nicht erstre­bens­wert, stark, oder wert­voll erschei­nen las­sen haben. Dies betraf sowohl die Män­ner, als auch die Berufs­welt. Aber das ist ein ande­res Thema.


Zurück zu uns. In der letz­ten Woche habe ich häu­fig über mei­ne Intui­ti­on reflek­tiert, und habe mir fol­gen­de Fra­gen gestellt:


  • Was ist mei­ne Intuition?
  • Wie mer­ke ich, dass sie da ist?
  • Und wie kann sie mir bei Ver­än­de­run­gen helfen?


Aus rei­ner eige­ner Neu­gier habe ich die­se Fra­gen nicht nur mir sel­ber gestellt, son­dern auch Män­nern und Frau­en in mei­nem nähe­ren Umfeld. Die­se Per­so­nen stam­men aus sehr unter­schied­li­chen Berufs­sek­to­ren. Hier fol­gend, möch­te ich zuerst mei­ne Ant­wor­ten mit euch tei­len und die Ant­wor­ten der Per­so­nen, die schon die Mög­lich­keit hat­ten, mir zu ant­wor­ten, danach.


Intui­ti­on für mich per­sön­lich? Schwer zu beschrei­ben… Wür­de es als kör­per­li­che und emo­tio­na­le Emp­fin­dung beschrei­ben… Eine Emp­fin­dung, die ich stark wahr­neh­me, wenn ich die Per­zep­ti­on habe, es gibt unge­sag­te Sachen, ver­bor­ge­ne Wahr­hei­ten, mög­li­che Chan­cen oder bevor­ste­he­ne Gefah­ren. Ich sel­ber emp­fin­de sie vor allem als leich­te Anspan­nung im Bauch, aber sie brei­tet sich sanft im gan­zen Brust­korb aus und sie fühlt sich warm an. Emo­tio­nal ist sie erkenn­bar für mich, weil ich völ­lig im Moment bin (im Flow), aber in man­chen Situa­tio­nen schwin­gen Gefüh­le von Auf­ge­regt­heit oder Unru­he mit (auch wenn ich ver­mu­te, dass Auf­ge­regt­heit oder Unru­he eher schon Kon­se­quen­zen der mög­li­chen Aus­wir­kun­gen mei­ner Intui­ti­on sind). Ich glau­be, oft sieht man es mir in mei­nen Augen an (weil mein Blick sehr kon­zen­triert und acht­sam wirkt). Akzep­tie­re ich voll­stän­dig mei­ne Intui­ti­on und nut­ze ich voll ihr Poten­ti­al? Lei­der nein… und ich weiss es. Ich mer­ke sel­ber, dass ich in bestimm­ten Kon­stel­la­tio­nen dage­gen ankämp­fe. Häu­fig, wenn ich etwas nicht sehen will… oder wenn ich mich nicht mit etwas kon­fron­tie­ren will, dass von mir schwie­ri­ge Ent­schei­dun­gen for­dert, die ande­ren oder mir scha­den könn­ten. Aber gegen sie anzu­kämp­fen, ist eigent­lich uto­pisch. Ich neh­me sie ja wahr, nur ver­su­che ich sie mit der Ratio zu igno­rie­ren. Resul­tat? Bauch­weh. Wie hilft mir Intui­ti­on bei Ver­än­de­run­gen? Wenn ich auf mei­nen Bauch höre und er fühlt sich gut an, dann ist es meist das Rich­ti­ge für mich per­sön­lich und mei­ne Ratio hat dazu sel­ten Ein­wän­de. Falls aber Bauch und Ratio nicht im Ein­klang sind und ich, trotz Ana­ly­se und situa­tiv ange­pass­te Ent­schei­dung, immer noch Bauch­schmer­zen habe… dann mel­det sich mei­ne Intui­ti­on meist im Traum. Dann weiss ich «Ach­tung»… ich muss auf mei­ne Kör­per­emp­fin­dun­gen hören und mei­ne Ent­schei­dung revi­die­ren oder adaptieren.


Aber wie sehen es Frau­en und Män­ner all­ge­mein? Eini­ge per­sön­li­che Mei­nun­gen hier fol­gend. Dan­ke an alle, die mit­ge­macht haben und für Eure Offen­heit und Ehr­lich­keit. Aus Pri­va­cy Grün­den wer­den in die­sem Arti­kel kei­ne Namen genannt. Es sind jedoch Per­so­nen aus ver­schie­den­sten Arbeits­wel­ten (von krea­tiv tätig bis Finanz­we­sen, Phar­ma, Eid­ge­nös­si­sches Depar­te­ment usw.)


« Intui­tio­nen sind wie Wind­hau­che: Manch­mal bin ich auf­merk­sam genug und spü­re sie – manch­mal rea­li­sie­re ich erst ver­spä­tet, dass ich es ja eigent­lich gewusst / gespürt hätte.


Gera­de in Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen, wenn es manch­mal drun­ter und drü­ber geht, oder wenn das Aus­hal­ten von Unge­wiss­hei­ten mich an die Gren­zen bringt, kön­nen Intui­tio­nen klei­ne Wun­der sein und mir den Weg zei­gen – sofern ich sie denn wahr­neh­me! Des­halb haben Metho­den, die mich zur Ruhe kom­men las­sen, dann höch­ste Priorität.»


 « Für mich erfolgt mei­ne Intui­ti­on nor­ma­ler­wei­se, wenn ich in einem Gespräch bereits in der Lage bin eine Lösung vor­zu­schla­gen, oder wenn ich schon vor­her­se­hen kann in wel­che Rich­tung sich das Gespräch ent­wickeln wird. Dies alles geschieht auto­ma­tisch, es genügt die Auf­merk­sam­keit auf die Situa­ti­on und/oder auf das Gespräch zu fokus­sie­ren. Heut­zu­ta­ge hat man jedoch die Ten­denz, alles sehr schnell zu eva­lu­ie­ren und auch die Gesell­schaft und die Auf­ga­ben trei­ben Dich dazu, immer schnel­ler zu den­ken. In eini­gen Fäl­len sind lei­der auch die Intui­tio­nen zu schnell und wägen das Pro­blem nicht genü­gend ab. So ris­kiert man, die fal­sche Ver­än­de­rung vor­zu­schla­gen. Also wäre es manch­mal ange­bracht, auch unse­ren Intui­tio­nen mehr Zeit zu geben, sich zu setzen.»


« Wie bemer­ke ich mei­ne Intui­tio­nen. Eine gute Fra­ge. Wenn ich eine Ant­wort auf eine spe­zi­fi­sche Fra­ge suche, sind Intui­tio­nen Ant­wor­ten, die ein­fach auto­ma­tisch vor mir «auf­tau­chen» und die ich als rich­tig emp­fin­de. Ich kann nicht das war­um und wie­so erklä­ren, ich weiss es ein­fach, das ist dann die Ant­wort und noch die Rich­ti­ge dazu. Es ist wie ein Gei­stes­blitz. Natür­lich ist das schwer begründ­bar gegen­über anderen…Um Intui­tio­nen zu haben, musst Du ruhig, gelas­sen, offen, nicht wer­tend sein und sie wahr­neh­men. Ich war drauf und dran zu sagen, dass man emo­tio­nell nicht ein­ge­nom­men sein soll­te, aber das stimmt nicht. Man kann emo­tio­nell betei­liegt sein, aber man muss es flies­sen las­sen. Mir gefällt die Meta­pher der ver­steck­ten 3D Bil­der. Du musst den Blick schwei­fen las­sen über das Blatt, um sie sehen zu kön­nen und das geht nur gelas­sen und kon­zen­triert zugleich. Und so wie die 3D Bil­der auf­tau­chen, so tau­chen auch die Intui­tio­nen in unse­rem Kopf auf. Ich glau­be Intui­tio­nen brin­gen Ver­än­de­run­gen mit sich, denn jede Intui­ti­on ist eine neue Ent­deckung, die mich dazu bringt, etwas in mei­nem Leben zu verändern.»


«Nor­ma­ler­wei­se ver­su­che ich Ent­schei­dun­gen so zu tref­fen und mein Pri­vat­le­ben so zu gestal­ten, dass es auf einer ratio­na­len Basis beruht und durch eine fun­dier­te tief­grei­fen­de Ana­ly­se der Situa­ti­on um mich her­um noch bekräf­tigt ist. Oft reicht das aber nicht aus. Manch­mal, trotz­dem die Logik und die Ratio «A» sagen, sagt mir «etwas im Innern»  «B», oder es läu­tet eine Alarm­glocke. Der schwie­rig­ste Teil ist jedoch nicht, es zu bemer­ken, son­dern wie man mit die­ser Intui­ti­on umge­hen soll. Ich bin ziem­lich über­zeugt, dass auch die geni­al­sten Intui­tio­nen das Resul­tat von etwas Ratio­na­lem sind, das wis­sen­schaft­lich erklär­bar wäre. Im Gros­sen und Gan­zen nut­ze ich die Proe­jk­ti­ons­fä­hig­keit der ver­gan­ge­nen Situa­tio­nen in die Zukunft, aber ich berück­sich­ti­ge dazu noch das Ver­än­dern in der Zeit und der Situa­ti­on um mich herum.


Ich ver­su­che es bes­ser zu erklä­ren. Ich bin nie jemand gewe­sen, der die The­se befür­wor­tet «die Geschich­te wie­der­holt sich» oder « das hat schon in der Ver­gan­gen­heit funk­tio­niert, also wird es auch in der Zukunft funk­tio­nie­ren». Aber ein gewis­ses Mass an Wis­sen über die Geschich­te und über die Grün­de von Ver­än­de­run­gen wäh­rend ver­gan­ge­ner Revo­lu­tio­nen, oder Erfol­ge oder Nie­der­la­gen, kann hel­fen, sei­ne Intui­ti­on in einer Ver­än­de­rungs­zeit zu nut­zen. Damit die­ses Geschichts­wis­sen mir von Nut­zen ist für eine Zukunfts­pro­jek­ti­on, darf sie nicht fos­si­li­siert in ihrer Epo­che betrach­tet wer­den, son­dern sie muss trans­por­tiert und adap­tiert wer­den , mit ent­spre­chen­der ratio­na­ler Ana­ly­se in die Zukunft.»


Was auf­fält sind Ähn­lich­kei­ten zwi­schen den indi­vi­du­el­len Aussagen.


Fast alle emp­fin­den es auf eine Art und Wei­se kör­per­lich, emo­tio­nell und/oder gei­stig… und es ist ein auto­ma­ti­sier­ter Ver­ständ­nis­pro­zess, was die Defi­ni­ti­on von Wal­ker et al. (2011) unterstützt.


Es scheint auch, dass Intui­ti­on Zeit und Ruhe braucht, sowohl um kor­rekt emp­fun­den zu wer­den, als auch um als gutes Werk­zeug für Veränderungsentscheidungen/Prozesse zu die­nen. Es erscheint wich­tig, sich die Zeit zu neh­men, um sich, sei­nem Kör­per, sei­nen Emo­tio­nen bewusst zu wer­den und um sei­nen Bauch mit der Ratio in Ein­klang zu brin­gen. Man muss im «Flow» sein, kon­zen­triert aber «gelas­sen-kon­zen­triert».


Ist Intui­ti­on eine Qua­li­tät die einem hel­fen kann resi­li­en­ter zu sein? Wahr­schein­lich ja, wenn man sie trai­niert. Je mehr man Ratio und Intui­ti­on zusam­men­spie­len lässt, umso mehr ist man im Ein­klang mit sich sel­ber und somit gefe­stig­ter im Umgang mit Veränderungen.


Hier schliesst sich für heu­te mei­ne Reflek­ti­on. Früh­ling, den Kör­per mit allen Sin­nen spü­ren… auch mit der Intui­ti­on (sech­ster Sinn)… und sich dar­an erfreu­en… Ein Teil des Myste­ri­ums der Intui­ti­on ver­su­chen zu erklä­ren. Ich blei­be jedoch neu­gie­rig mehr zu erfah­ren über die­sen Begriff und des­sen feh­len­de Puz­zle­stücke. Des­we­gen schreibt mir und sagt mir, was für euch eure Intui­ti­on ist und wann sie wäh­rend den Ver­än­de­run­gen pas­siert. Ich wür­de ger­ne mehr Meinungen/Erfahrungen sam­meln, um eine zwei­te inten­si­ve­re Reflek­ti­on zu die­sem The­ma durch­zu­füh­ren. Intui­ti­on: ein The­ma, das seit der Anti­ke die Mensch­heit fasziniert.


Eure Cori­na


Refe­ren­zen:

Dane, E., Pratt, M. G., Baer, M., & Old­ham, G. R. (2011). Ratio­nal ver­sus intui­ti­ve pro­blem sol­ving: How thin­king “off the bea­ten path” can sti­mu­la­te crea­ti­vi­ty. Psy­cho­lo­gy of Aes­the­tics, Crea­ti­vi­ty, and the Arts, 5(1), 3–12.
doi:10.1037/a0017698


Epstein, S. (2010). Demy­sti­fy­ing intuition:What it is, what it does, and how it does it. Psy­cho­lo­gi­cal Inquiry, 21, 295–312.
doi:10.1080/10477840X.2010.523875


Hens­man, A., & Sad­ler-Smith, E. (2011). Intui­ti­ve decis­i­on in ban­king and finan­ce. Euro­pean Manage­ment Jour­nal,29,
51–66.


Wal­ker, L. O., & Avant, K. C. (2011). Stra­te­gies for theo­ry cons­truc­tion in nur­sing (5th ed.). Upper Sadd­le River, NJ: Prentice-Hall.


Wright, M. (2013). Homic­i­de detec­ti­ves’ intui­ti­on. Jour­nal of Inve­sti­ga­ti­ve Psy­cho­lo­gy and Offen­der Pro­fil­ing,10, 182–199.
doi:10.1002/jip.1383

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